Die apparative Versorgung einer Hörbeeinträchtigung

Wird bei einem Kind von einem HNO-Facharzt/einer HNO-Fachärztin eine Hörbeeinträchtigung diagnostiziert, führt der erste Weg immer zu einem/einer KinderakustikerIn um die Versorgung mit einem oder zwei HdO (Hinter-dem-Ohr) Hörgeräten einzuleiten.

Um eine optimale technische Versorgung bei Kindern zu gewährleisten, ist es wichtig, die Anpassung der Hörhilfe von einem/einer speziell ausgebildeten KinderakustikerIn (PädakustikerIn) vornehmen zu lassen. Um die Zusatzqualifikation zum/zur KinderakustikerIn (PädakustikerIn) absolvieren zu können, ist der Lehrabschluss der Hörgeräteakustik sowie der Meisterschulabschluss im gleichen Fachbereich notwendig. Da die Ausbildung zum/zur HörgeräteakustikerIn meist auf dem 2ten Bildungsweg erfolgt, und die gesamte Ausbildung mindestens 5 Jahre umfasst, beträgt das Lebensalter eines Kinderakustikers/einer Kinderakustikerin mindestens 23 Jahre. Neben der fachlichen Befähigung muss der/die PädakustikerIn für die Ausübung dieser verantwortungsvollen Tätigkeit sehr viel Einfühlungsvermögen sowie einen souveränen und verantwortungsvollen Umgang im interdisziplinären Netzwerk besitzen.

(Unter der Rubrik „Kosten und Anlaufstellen“ finden Sie Hinweise zu Pädakustikern/-akustikerinnen in Ihrer Nähe.)

Die Hörgerätehersteller versprechen eine Korrektur jeder Hörbeeinträchtigung. Tatsächlich stoßen die Hörsysteme bei einigen Hörverlusten an ihre Leistungsgrenzen (Verstärkung in bestimmten Frequenzbereichen). Dies muss der/die PädakustikerIn erkennen, die Familie darüber informieren und weiterführend vermitteln (Ist eventuell die Versorgung mit einem Cochlea Implantat notwendig?), um dem Kind die volle Hörbarkeit von Sprache zu ermöglichen und deren Erwerb akustisch zu sichern!

Die Hersteller sprechen von einem Übertragungsbereich, der zwischen 125 Herz (Hz) und 8 kHz liegt und damit den gesamten Sprachbereich wieder hörbar machen kann. Technisch gesehen kann ein Hörsystem die Frequenzen oberhalb von 6 kHz aufgrund der eingeschränkten Leistungsfähigkeit der Lautsprecher effektiv nicht mit mehr Verstärkung als 40 bis 60 Dezibel (dB) abdecken.

Hörbeeinträchtigungen, die einen Lautstärkeverlust von 80 dB oder mehr haben, können also nicht adäquat mit einem Hörgerät versorgt werden. Um dies zu kompensieren, wurde das sogenannte „Sound Recover“ entwickelt.

Sollte sich im Zuge dieser Versorgung herausstellen, dass ein herkömmliches Hörgerät nicht ausreichend ist, wird an eine entsprechende Klinik für implantierbare Hörsysteme überwiesen.

Meilensteine auf dem Weg zur Hörhilfe

  • Zuweisung von LKH oder niedergelassenen Hals- Nasen- Ohren- ÄrztInnen mit entsprechenden Befunden (Audiogramm, BERA, Tympanometrie)
  • Ersttermin in der Kinderakustik mit ausführlicher Anamnese
  • Ohrabformung mit einer Silikonmasse (völlig schmerzfrei, Dauer ca. 5 Minuten)
  • Empfehlung und Bestellung eines entsprechenden Hörsystems
  • Einstellung des Hörgeräts an das jeweilige Hörvermögen und die anatomischen Gegebenheiten mittels einer Insitu- bzw. RECD- Einstellung. Hierbei werden, unter Berücksichtigung der kindlichen Anatomie, die akustisch notwendigen Parameter eingestellt.
  • Toleranzmessung zur Überprüfung wie das Hörsystem auf laute Geräusche reagiert und ob die Kompressionssysteme des Hörgerätes entsprechend arbeiten.
  • Einführung der Eltern in die Reinigung & Pflege der Hörsysteme sowie in den Umgang mit dem versorgten Kind.
  • Kontrolltermin in der Kinderakustik (ca. 2 Wochen später) und Einstellungskorrektur (basierend auf dem Erfahrungsbericht der Eltern).
  • Reaktions- oder Spielaudiometrie bzw. eine Erfolgskontrolle mittels einschlägiger Kindersprachtests

Was leisten moderne Hörsysteme heute?

Moderne Hörsysteme sind mit einer Vielzahl von hightech Verfahren ausgestattet, um das Hören optimal zu unterstützen.

  • Schallverstärkung Verstärkung der Frequenzen von ca. 100 Hz bis zu 8 kHz. Das geschieht in verschiedenen Kanälen (min. 4, max. 22). Diese Bereiche (Kanäle) können voneinander unabhängig eingestellt werden. Das ist wichtig, da eine Hörkurve in den seltensten Fällen über den gesamten Frequenzbereich gleich viel Verstärkung benötigt.
  • Spracherkennung: Moderne Hörsysteme erkennen die Obertöne der Sprache, heben sie hervor. Im 360°- Modus fokussieren sie sich auf Sprache und suchen sie.
  • Störgeräusch-Unterdrückung
  • Rückkopplungs-Unterdrückung Schall, der aus dem Hörgerät an das Hörgerätemikrofon gelangt (beispielsweise durch ein nicht passendes Ohrstück) verursacht eine Rückkoppelung. Es entsteht ein Pfeifen. Es wird durch ein Rückkopplungs-Managementsystem ausgelöscht.
  • Hallunterdrückung Mittels Frequenzabtastung wird Hall als Schallüberlagerung erkannt (beispielsweise bei Gesprächen im Treppenhaus oder in Kirchen).
  • Windgeräusch-Unterdrückung
  • Sound Recover Sie wird aktiviert, wenn das System erkennt, dass keine ausreichende Verstärkung im Hochtonbereich möglich ist, da der Hörverlust zu groß ist. Die nicht verstärkbaren Frequenzen werden in einen tieferen, für das Hörsystem verstärkbaren Bereich transferiert.

In der Kinderakustik werden aber einige Funktionen, wie z.B. Hallunterdrückung oder Windgeräuschunterdrückung, deaktiviert, damit das Kind die Plastizität des Hörens erlernt und das räumliche Hörvermögen geschult wird.

Hörsysteme können mit Zubehör, wie Fernbedienung, Freisprechtelefonie oder Streamen, gekoppelt werden.

Welche Hörsysteme gibt es?

Es wird unterschieden zwischen

  1. Hörsystemen ohne Implantat
  2. Hörsystemen mit Implantat

 

Die Wahl eines Hörsystems ist abhängig

  • vom jeweiligen Verstärkungsbedarf bzw. vom Grad der Hörbeeinträchtigung (wird aus dem Tonaudiogramm ermittelt)
  • vom Entwicklungsalter des Kindes
  • von der individuellen Anatomie des Ohres
  • von der Physiologie und Pathologie des Ohres
  • von den Möglichkeiten der Handhabung und Pflege des Gerätes

Hörsysteme ohne Implantat

Die Größe des Hörgerätes hängt mit dem Verstärkungsbedarf zusammen. Je kleiner ein Hörsystem ist, desto kleiner ist die Batterie und desto geringer ist daher die Verstärkungsleistung.

IdO - Copyright Neuroth LupiSpuma

In-dem-Ohr-Hörgerät (IdO)

Es besteht aus einer maßgefertigten Hartacryl-Schale, in der die Technik eingebettet ist. Je nach Größe des Ohres kann das System sehr unauffällig im Gehörgang sitzen oder die halbe Ohrmuschel (Conchae) ausfüllen. Um die Technik entsprechend in einer IdO-Schale zu platzieren, benötigt man mindestens eine Gehörgangslänge von 2 cm. Der Gehörgang bildet seine vollständige Länge bis zum 15. Lebensjahr aus. Bei Neugeborenen beträgt er ca. 0,5 cm, beim Jugendlichen ca. 2,5 cm. Aufgrund der Verletzungsgefahr, die beim Tragen des Hartacrylmaterials entsteht (beim Spielen fällt dem Kind ein Ball auf das IdO, welches im Gehörgang zerbricht) sowie dieser anatomischen Besonderheit, muss von einer Hörgeräteversorgung mit einem IdO im Kindesalter abgesehen werden.

HdO - Copyright Neuroth LupiSpuma

Hinter-dem-Ohr-Hörgerät (HdO)

Hier befindet sich die gesamte Systemtechnik in einem Gehäuse, welches hinter der Ohrmuschel getragen wird. Dieses ist mit einer sogenannten Otoplastik, einem Maßohrstück, verbunden, welches den verstärkten Schall des Hörgerätes zum Trommelfell im Gehörgang leitet. Man kann diese Systeme farblich unauffällig (entsprechend der Haarfarbe) oder kunterbunt gestalten. Die Erfahrung zeigt, dass Kinder es lieben, ihre Hörsysteme regelmäßig farblich umbauen zu lassen. Sie tragen ihre Systeme selbstbewusst und möchten anderen voller Stolz ihren „Hörbert“ zeigen.

[Anmerkung: Hörbrillen, bei denen das HdO am Brillenbügel montiert wird, wurden aufgrund ihres unpraktischen Einsatzes vom Markt genommen und nicht mehr weiterentwickelt.]

Ex-Hörer-System

Diese Hörsysteme werden hinter dem Ohr angebracht, haben aber eine deutlich kleinere Bauweise als die HdO, da der Lautsprecher aus dem Gehäuse ausgelagert und im Gehörgang untergebracht ist. Der Lautsprecher wird ebenfalls in einem Ohrstück im Gehörgang gelagert. Wie beim Im-Ohr-Gerät, wird bei Kindern von diesem System abgeraten, da der Hörer ähnliche Platzanforderungen stellt, wie das Im-Ohr-Hörgerät.

Knochenleitungssystem

Diese Systeme wurden für Personen entwickelt, bei denen das Innenohr annähernd gesund ist und der Hörverlust durch einen Schallleitungsschaden bedingt ist (beispielsweise bei nicht angelegten Gehörgängen). Das Hörsystem nimmt den Schall über ein Mikrofon auf und leitet den verstärkten Schall mittels Vibrationen an den Schädelknochen weiter, welcher ihn zum Innenohr leitet. Das Knochenleitungssystem ist je nach System als Stirnband oder Haarreifen tragbar und kann im Jugendalter implantiert werden.

[Anmerkung: Hörbrillen, bei denen das HdO am Brillenbügel montiert wird, wurden aufgrund ihres unpraktischen Einsatzes vom Markt genommen und nicht mehr weiterentwickelt.]

Hörsysteme mit Implantat

Kann eine Hörbeeinträchtigung nur unzureichend mit einem Hörgerät versorgt, und ein Hören im Sprachbereich nicht erreicht werden, kann ein Implantat eine zusätzliche Option darstellen.

7 - Geräte und technische Hilfsmittel

Das Cochlea-Implantat (CI)

Sind die Haarzellen im Innenohr zu sehr geschädigt, reicht die Verstärkung mittels Hörgerät eventuell nicht aus, um den Spracherwerb eines Kindes zu sichern.

Dann ist es notwendig, die zerstörten Haarzellen zu ersetzen. Hierzu wird eine Elektrode in der Hörschnecke positioniert. Diese erhält Sprach- sowie Geräuschinformationen über einen externen Sprachprozessor (ähnlich einem Hinter-dem-Ohr- Hörgerät) und stimuliert die entsprechenden Nervenbereiche in der Hörschnecke. Diese Implantation ist irreversibel.

Ein CI besteht aus zwei Teilen: dem extern getragenen Audioprozessor, der je nach Modell hinter dem Ohr oder sogar abseits vom Ohr getragen wird, und dem Cochlea-Implantat, welches in einem chirurgischen Eingriff direkt unter der Haut bzw. im Innenohr platziert wird.

7 - Geräte und technische Hilfsmittel

Die Bonebridge

Liegt die Ursache der Hörbeeinträchtigung im Mittelohr (zum Beispiel aufgrund von Mittelohroperationen, Fehlbildungen, etc.)  stellt die Bonebridge eine mögliche Versorgung dar.  Mit der Bonebridge wird der Schall mittels Knochenleitung direkt zum Innenohr übertragen, wo er wie normaler Klang verarbeitet wird.

Sie findet auch bei einseitiger Taubheit Anwendung.

Funktionsweise:

  1. Die Bonebridge ist ein teilimplantierbares Hörsystem. Es besteht aus einem extern getragenen Audioprozessor und einem chirurgisch eingesetzten Implantat.
  2. Der Audioprozessor, der durch einen Magneten am Implantat gehalten wird, nimmt den Schall auf und wandelt diesen in Signale um, die er durch die Haut an das Implantat weitergibt.
  3. Das Implantat ist im Knochen (Felsenbein) verankert und wandelt die empfangenen Signale in mechanische Schwingungen um, die an den umgebenden Knochen weitergeleitet werden.
  4. Der Knochen leitet diese Schwingungen an das Innenohr weiter, wo sie ähnlich dem Vorgang des natürlichen Hörens als Impulse an den Hörnerv weitergegeben werden.
7 - Geräte und technische Hilfsmittel

Die Soundbridge

Die Soundbridge kann sowohl bei leichter bis hochgradiger Innenohrschwerhörigkeit, als auch bei Schalleitungs- wie auch kombinierter Schwerhörigkeit angewendet werden.

Die Soundbridge wandelt Schallsignale aus der Umgebung in mechanische Schwingungen um, welche direkt die Strukturen des Mittelohrs stimuliert, wodurch auch hohe Töne außergewöhnlich gut wahrgenommen werden können.

Funktionsweise:

  1. Schall wird vom Mikrofon des Audioprozessors aufgenommen. Der Audioprozessor wird durch einen Magneten über dem Implantat gehalten.
  2. Der Audioprozessor wandelt Schall in elektrische Signale um.
  3. Die Signale werden über die Haut an das Implantat übertragen.
  4. Dort werden sie Signale in mechanische Schwingungen umgewandelt, die eine Mittelohrstruktur (z.B. die Gehörknöchelchenkette) direkt in Bewegung versetzen.
  5. Diese Schwingungen werden an das Innenohr weitergeleitet und als akustische Signale wahrgenommen.

Das Ohrstück - Die Otoplastik

Swim-Line - Copyright Neuroth

Das Ohrstück (Otoplastik) verbindet das Hörsystem mit dem Ohr und wird in den äußeren Gehörgang eingeführt. Bei einem HdO-Gerät leitet es den verstärkten Schall vom Hörgerät in den Gehörgang. Bei den implantierten Hörsystemen hebt es den Tragekomfort (beispielsweise bei Kindern, da deren Ohrmuscheln noch sehr klein sind).

Abhängig von der Anatomie des Ohres, Unverträglichkeiten (Kunststoff), der benötigten Verstärkung und der Ästhetik eines Menschen, können diese in verschiedenen Materialien und Farben gefertigt werden.

Acryl-Maßohrstücke: Diese bestehen aus einem harten Kunststoff, welcher in vielen Farben verfügbar ist, sind zerbrechlich und können leicht gereinigt werden.

Silikon-Maßohrstücke: Diese bestehen aus einem weichen Kunststoff, der in vielen Farben verfügbar ist und bieten eine bestmögliche Abdichtung des Gehörganges bei hoher Verstärkung.

Thermotec-Maßohrstücke: Dieses Material ist im Farbton transparent erhältlich und hat die besondere Eigenschaft, dass es bei Körpertemperatur von 37°C weich und außerhalb des Ohres relativ hart ist. Diese Plastik zeichnet sich durch problemloses Einsetzen, hohe dauerelastische Abdichtung und ein angenehmes Tragegefühl aus. Durch seinen guten Feuchtigkeitstransport und seine Hautfreundlichkeit ist es für Allergiker geeignet.

Titan-Maßohrstücke: Dieses Material zeichnet sich durch seine antiallergenen Eigenschaften, einem sehr geringen Gewicht und seiner Unkaputtbarkeit aus.