Leben mit einer Hörbeeinträchtigung: Neugeborene

Wichtige Informationen

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Das erste voll ausgeprägte Sinnesorgan

Das Ohr ist der erste voll ausgeprägte Sinn. Es ist ab der 25. Schwangerschaftswoche in seiner Funktion und in seiner Größe voll ausgeprägt, nur die Ohrmuschel (Außenohr) wächst bis zum Ende des Lebens weiter.

Höreindrücke in der Schwangerschaft prägen ein Kind und stellen die erste Bindung zur Mutter und zur sozialen Umwelt her.

Von 1.000 Neugeborenen haben etwa 1-3 Kinder eine Hörbeeinträchtigung. Ein Teil davon ist genetisch bedingt, meist durch eine entsprechende Erbanlage der Eltern. Aber auch Infektionen, übermäßiger Alkoholkonsum sowie Sauerstoffmangel während der Geburt können eine Hörbeeinträchtigung zur Folge haben. Die Ursachen sind nicht in allen Fällen feststellbar.

Bereits unmittelbar nach der Geburt kann eine sehr schnelle und schmerzfreie erste Untersuchung des Gehörs durchgeführt werden. Dieses Screening (Otoakustische Emission) zeigt ab einem Hörverlust von 40% eine Auffälligkeit an.

In vielen Ländern wie Deutschland ist daher ein Hörscreening beidseitig bis zum 6. Lebensmonat verpflichtend vorgeschrieben. In Österreich wird diese Untersuchung ebenfalls flächendeckend angeboten, jedoch im Mutter-Kind-Pass nur empfohlen. Sie ist in Österreich nicht verpflichtend und wirkt sich nicht auf das Kindergeld aus.

In Österreich zeigt die Praxis aus diesem Grund immer wieder folgende Situation: Ein Screening wird nur einseitig durchgeführt mit unauffälligem Ergebnis, da bei diesem Ohr nur ein Hörverlust von 30% vorliegt. Das andere Ohr hat einen hohen Hörverlust, wird aber nicht getestet. Diese Kinder werden häufig erst bei Schuleintritt spät erkannt. Da sie sich aufgrund der Hörbeeinträchtigung häufig auffällig entwickeln, werden andere Diagnosen wie ADHS oder Autismus gestellt. Das Hören wird dabei oft nicht mehr oder sehr spät beachtet.

Der Zeitfaktor

Die Entwicklung des Gehörs hängt eng mit der Entwicklung der Hörbahn und des Hörzentrums zusammen, das heißt mit den Strukturen des Gehirns, die die elektrischen Impulse des Innenohrs weiterverarbeiten bis zum bewussten Wahrnehmen eines Geräusches oder Klangs.

Bekommt die Hörbahn in den ersten Lebensmonaten und -jahren zu wenige Impulse, wird das Hörzentrum im Gehirn zurück entwickelt!

Entscheidend sind dabei die ersten beiden Lebensjahre. Wird ein Kind, das von einer Hörbeeinträchtigung betroffen ist, in diesen Lebensjahren gut mit Hörhilfen versorgt, kann sich das Gehirn normal entwickeln.

Zeit spielt daher bei der Versorgung eines Kindes eine entscheidende Rolle!

Aus diesem Grund ist es wichtig, dass bei auffälligem Verhalten eines Kindes, also beispielsweise bei verzögerten Reaktionen auf akustische Reize, rasch gehandelt wird. Von größter Bedeutung ist dieses Faktum für den Erwerb von Sprache und für die geistige Entwicklung.

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Förderung

Hörfrühförderung und Familienbegleitung

Wird bei einem Kind eine Hörschädigung diagnostiziert, so besteht die Möglichkeit, Hörfrühförderung (interdisziplinäre audiologische Frühförderung und Familienbegleitung) in Anspruch zu nehmen.

Die gezielte Beratung und Begleitung der Eltern sowie die Hör- und Sprachförderung des hörbeeinträchtigten Kindes bilden die Hauptaugenmerke der Hörfrühförder-Einheiten. Durch genaues Beobachten und gemeinsames Tun können die individuell angelegten Fähigkeiten des Kindes erkannt und das Förderangebot kann den kindlichen Entwicklungsschritten angepasst werden.

Regelmäßige Hörmessungen, logopädische, entwicklungsdiagnostische und ergotherapeutische Verlaufskontrollen sowie HNO-ärztliche Kontrollen und eine enge Zusammenarbeit mit Hörgeräteakustikern/-akustikerinnen sowie Technikern/Technikerinnen bilden die Grundlage für die Hörfrühförderung.

Interdisziplinäre audiologische Frühförderung und Familienbegleitung findet einmal wöchentlich zu Hause oder bei Bedarf ambulant statt und ist für die Familien kostenlos. Die Verrechnung erfolgt über die zuständige Bezirkshauptmannschaft.

Empfohlene Untersuchungen und Kontrollen

Neugeborenen Hörscreening (Otoakustische Emission) & Hirnstammaudiometrie (BERA)

Bei dieser Untersuchung werden dem Ohr mittels einer kleinen Sonde, die ans Ohr gehalten wird, Schallimpulse vorgespielt. Ein gesundes Innenohr empfängt nicht nur diese Schallimpulse, sondern erzeugt auch selbst in einer Funktionsumkehr Antwort-Schallimpulse. Diese können mit der selben Sonde gemessen werden. Dabei interessieren weder die Art, noch der Grad der Hörschädigung. Um möglichst früh angeborene Hörstörungen zu erkennen, wird empfohlen, diese Untersuchung bereits in der ersten Lebenswoche durchzuführen. Sie wird in Österreich flächendeckend angeboten und wird seit 2003 im Mutter- Kind- Pass empfohlen und dokumentiert.

Bei einem auffälligen Ergebnis des Screenings oder Auftreten von Schwerhörigkeit in der Familie wird eine weiterführende Hirnstammaudiometrie (BERA) durchgeführt. Sie ist ebenfalls schmerzfrei und wird im Schlaf, fallweise unter Narkose durchgeführt.

Das Screening kann im Krankenhaus, aber auch bei manchen niedergelassenen HNO-Fachärztinnen und HNO-Fachärzten durchgeführt werden. Für die Hirnstammaudiometrie muss eine Klinik aufgesucht werden.

Drei wichtige Tipps:

  • Suchen Sie mit einem hörbeeinträchtigten Kind einen/eine KinderakustikerIn (PädakustikerIn) auf!

Um eine optimale technische Versorgung für Ihr Kind zu gewährleisten, ist es wichtig, die Anpassung des Hörgeräts von einem/einer speziell für Kinder ausgebildeten PädakustikerIn (KinderakustikerIn) vornehmen zu lassen.

Um die Zusatzqualifikation zum/zur KinderakustikerIn (PädakustikerIn) absolvieren zu können, ist der Lehrabschluss der Hörgeräteakustik sowie der Meisterschulabschluss im gleichen Fachbereich notwendig. Da die Ausbildung zum/zur HörgeräteakustikerIn meist auf dem 2ten Bildungsweg erfolgt, und die gesamte Ausbildung mindestens 5 Jahre umfasst, beträgt das Lebensalter eines Kinderakustikers/einer Kinderakustikerin mindestens 23 Jahre. Neben der fachlichen Befähigung muss der/die PädakustikerIn für die Ausübung dieser verantwortungsvollen Tätigkeit sehr viel Einfühlungsvermögen sowie einen souveränen und verantwortungsvollen Umgang im interdisziplinären Netzwerk besitzen.

  • Schließen Sie für die Hörhilfe eine Versicherung ab!

Da Hörhilfen teuer sind, ist es ratsam, diese zusätzlich zu versichern, um beispielsweise bei häufigen Reparaturen oder bei Verlust finanziell abgesichert zu sein. Nähere Informationen dazu erhalten Sie bei Ihrem/Ihrer zuständigen AkustikerIn bzw. TechnikerIn

  • Suchen Sie um erhöhte Kinderbeihilfe an!

Aufgrund einer diagnostizierten Hörbeeinträchtigung des Kindes erhält die Familie eine erhöhte Kinderbeihilfe vom Staat (Ansuchen beim Finanzamt).

Alle notwendigen Informationen zu Kontakten in Ihrer Nähe finden Sie in der Rubrik „Kosten und Anlaufstellen“!